FINIT die 2te
Saarbrooklyns Flaschenpost ins Endliche, oder der süße Traum vom Eigenheim.
„You gotta fight for your right to party“, ließen die Beastie Boys zum letzten Drittel der 80er Jahre in die Welt schallen, und erschreckend viele glauben ihnen noch heute. Nein, für das Recht auf Party muss nicht gekämpft werden, das ist definitiv in der Mitte der Gesellschaft, konsumdröhnend fest verankert, dass uns schwindlig wird. Brot und Spiele sind die Grundlage des Systems, in welches wir uns als geschichtlicher Mensch stetig selbst versetzen.
Mitte ´87 war ich 16 und habe kräftig mitgegröhlt. No future war irgendwie vorbei. Der Punk zum x-ten male für nicht tot erklärt. Nenas Luftballons verschwanden gerade hinter Udos Horizont. 304 Marschflugkörper mit Atomsprengköpfen waren, trotz massiver Proteste (auch meiner), in Westeuropa einsatzbereit stationiert. Kohl wierdergewählt. Langsam sollte die Entspannung beginnen. Quasi eine Rückbesinnung auf die privaten Werte. Jeder ist ein Star. Jeder wird wiedervereinigt. Jeder soll Spass haben. Jeder hat das Recht zu rebellieren und innerlich zu wachsen. Und natürlich kommt alles Gute aus New York. (Bis zum 11. September – Und auch bei diesem Ereignis stellt die Band, die sich „No sleep till Brooklyn“ verordnet, ihre Party in den Dienst der guten Sache eines Benefizkonzerts.) Es macht fast den Anschein als ginge ihr BEASTIE Konzept auf: Boys Entering Anarchistic States Towards Internal Excellence.
Um ihre Reife zu erlangen, wird eben schon ´87 der Aufstand geprobt, auch wenn den tierischen Jungs nichts originelleres einfällt, als in ihrem MTV-ideo eine erbärmliche Stehparty familiär unterdrückter, dauergewellt zeitgeistiger Fashion-Victims, mit Sahnetorten zu attackieren. Wenn sie die Tür stürmen, wirken sie pubertär, erstaunlich heutig (was an den zeitgenössischen Fashion-Victims liegen wird), aber auch entzückend unsicher im Ausloten einer neuen Gestik. Das brave, weiße Mittelklasse-Muttersöhnchen will schwarz werden, noch bevor Jackson richtig weiß wurde. Alle scheinen sich aus ihrer eigenen Haut zu schälen, hinein in eine neue Freiheit. Aber wie soll die aussehen? Der Fernseher wird Zertrümmert. Die unschuldig aufgedonnerten Mädchen werden auf die Couch gelegt, um dort abwechselnd angesungen und abgeküsst zu werden. Gefickt wird hinter verschlossener Türe, in der ästhetischen Wildheit eines Dieter-Hallervorden-Sketches. Aus heutiger Sicht scheinen wir uns tief in der Provinz zu befinden, noch nicht in Brooklyn, diesem Elysium der ungeschminkten Realität – hart aber echt -, in welchem der Nigger noch den existentiellen Kampf kämpft, der bei uns längst in der neuen Langeweile stecken geblieben ist. Alles ist Kult. Und seit auch Jeder und Jede sich dicke Bässe vor die Hütte stellen kann, wird fleißig solidarisch mitgekämpft. Auch auf dem Nauwieser-Viertel-Fest.
Wo ist die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen, die Adorno im Kantschen Sinne der Autonomie einfordert?
Wer sich in dem spießig entfesselten Budenzauber auf der Saarbrücker „Alternativmeile“ eingekeilt hat, wird sich dieser Frage nicht stellen, sondern möglichst schnell nach Betäubung streben und versuchen Spaß zu haben. Sich in diesem Kontext dem Erschaffen echter Freiräume zu widmen ist ebenso kühn, wie sinnfällig, da in dieser Betäubung sicherlich eine Keimzelle der eigenen Unfreiheit zu suchen ist. Auch wenn in solchen Räumen der Be-spaßung eine gewisse Leere vorherrscht, so sind sie doch quasi besetzte Räume, in denen uns eine Dumpfheit entgegenschallt, welche jene, aus stiller Begegnung geborene, reflexive Selbstbestimmung zunehmend verunmöglicht. Eine Räumung dieses permanenten Lärms aus unserer Lebenswirklichkeit ist bislang nicht in Sicht. Wie können wir uns also mit dem, um Autonomie kämpfenden Individuum solidarisch zeigen.
→ FINIT sucht nicht nur Raum, sondern auch Solidarität. Bisher mittels Leergut-Kisten, die im Viertel, an Verkehrsschilder gebunden, das Pfandsammeln erleichtern sollen. Jetzt mit einer Solidaraktion für eine in Bedrängnis geratene Kölner Gruppe und ihren Frei-Raum, der nun in Gefahr steht von seinen Befreiern befreit zu werden, um ebenso befreit von seiner Architektonischen Hülle, in einen freien Grünstreifen überführt zu werden. Offenbar sind wir von soviel Freiraum umgeben, dass es einer neuen Definition jenes Raumes bedarf, der uns schützend, als befreiender, wirklich zu umfangen vermag, und damit unserem erst zu entwickelnden Selbst offen stehen kann, statt uns im Ausleben unseres Wahnsinns zu bestätigen.
Die gemeinsame Versuchsanordnung von FINIT und dem MEMBRAN im TIGER LABOR, war in dieser Hinsicht äußerst lehrreich. Es wird sich zeigen wie diese Lehre, jener Leere entgegenzuwirken in der Lage ist. Während ich diesen Text nochmals durchschaue, erscheint jedenfalls ein Regenbogen vor meinem Fenster. Da es nirgends regnet, nehme ich dies als ein gutes Omen.
Boris
.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.